Demenz – Teil I

Was ist Demenz?

Interview mit der Leitung Beratungs- und Geschäftsstelle von Alzheimer Solothurn, Nadia Leuenberger.

 

Frau Leuenberger, gibt es einen Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz?

Demenz ist der Überbegriff für neurodegenerative Erkrankungen, also von Hirnleistungsstörungen. Alzheimer ist eine Form dieser Störungen. Es gibt nebst Alzheimer über 100 andere Krankheiten, die zu einer Hirnleistungseinbusse führen können - wobei Alzheimer mit ca. 50 bis 60% mit Abstand die häufigste Form von Demenz ist.

 

Kommt Demenz nur in hohem Alter vor oder gibt es auch junge Menschen, die davon betroffen sind?

Die meisten Menschen mit Demenz sind über 65 Jahre alt. Bei Alzheimer gibt es aber tatsächlich eine Form, die genetisch vererbbar ist und an welcher vor allem auch junge Leute, zum Teil bereits ab 30 Jahren erkranken. Es gibt auch andere Demenzformen, die nicht so häufig sind, aber von denen man weiss, dass auch junge Menschen daran erkranken. Aber Demenz ist trotzdem eine typische Alterskrankheit. Die Zahlen zeigen, dass die Häufigkeit der Erkrankungen ab 65 zunimmt. Mit 95 Jahren haben über 45% der Menschen eine Form von Demenz.

Bild: Aswathy N. - unsplash.com

Was gibt es für andere Demenzformen?

Die zweithäufigste Form mit 20%, ist die vaskuläre Demenz. Das ist eine Gefässerkrankung, die Mini-Infarkte im Hirn verursacht. In den betroffenen Hirnarealen gibt es dadurch eine Einbusse der Leistungsfähigkeit. Eher selten sind die Lewy-Körperchen-Demenz und die Parkinson-Demenz.

Eine weitere seltenere Form, bei der wir aber eine Zunahme feststellen, ist die frontotemporale Demenz (FTD). An dieser Form von Demenz, bei welcher der Frontallappen und der temporale Lappen im Hirn betroffen sind, erkranken vor allem junge Menschen.

 

Wie sieht es mit dem Thema der Vergesslichkeit aus?

Viele Leute denken, dass bei der Demenz die Vergesslichkeit im Vordergrund steht. Bei Alzheimer und der vaskulären Demenz stimmt das auch, bei anderen Demenzformen zeigen sich vor allem zu Beginn der Erkrankung aber andere Symptome. Menschen mit einer frontotemporalen Demenz beispielsweise, fallen vor allem durch das veränderte Verhalten auf – sie werden enthemmt oder aggressiv, sie geben z.B. exzessive Geld aus oder fallen im Strassenverkehr stark auf durch riskante Fahrweisen.

Ist Demenz eine irreversible Krankheit?

Eine Demenz ist nicht heilbar, das heisst es gibt keine Medikamente, welche eine Demenz heilen können. Es gibt ein paar Medikamente, welche den Verlauf aber verlangsamen können. Dann gibt es einige wenige Demenzformen, die reversibel sind zum Beispiel verursacht durch eine Depression oder einen Vitamin B12 Mangel. Beides, eine Depression oder ein Mangel an Vitamin B12 kann zu Demenzsymptomen führen. Mit der richtigen Behandlung können bei diesen Erkrankungen die Demenzsymptome wieder verschwinden. Diese Fälle sind zwar vergleichsweise selten, aber man muss einfach daran denken, wenn jemand kommt und sagt er habe Gedächtnisprobleme.

 

Ist Demenz vererbbar?

Wie bereits erwähnt, gibt es eine seltene genetische vererbbare Form von Alzheimer. Es gibt aber auch vererbbare Grunderkrankungen z.B. Gefässschwächen, Bluthochdruck oder Herzprobleme, welche die Erkrankung an einer Demenz begünstigen und deshalb Demenzformen auch familiär gehäuft auftreten können aber eine direkte genetisch festgelegte Vererbbarkeit ist, wie gesagt, sehr selten.

Bild: Vlad Sargu - unsplash.com

Aber wie entsteht eine Demenz? Was passiert im Gehirn, dass eine Demenz entsteht?

Bei der vaskulären Demenz sind es Miniinfarkte die ein Absterben von Teilen des Gehirns verursachen. Man weiss heute, dass ein gesunder Lebensstil (gesunde, ausgewogene Ernährung, viel Bewegung, wenig Genussmittelkomsum usw.) zumindest teilweise verhindern lässt, dass man an einer Gefässschwäche erkrankt, welche eine vaskuläre Demenz begünstigt. Bei Alzheimer sind es Proteine im Hirn die verklumpen und welche das Absterben der betroffenen Hirnareale und ein schrumpfen der Hirnmasse verursachen. Man weiss heute zwar, dass es solche Verklumpungen gibt, aber man kann nicht sagen, woher diese kommen. Ein Teil der heutigen Forschung geht in die Richtung, dass es sich um Entzündungsprozesse handeln könnte, die im frühen Lebensalter - mit 30, 40 Jahren - unbemerkt im Gehirn stattfinden und so die Entstehung von Alzheimer begünstigen. Es gibt eine spannende Studie, in der herausgefunden wurde, dass Personen, welche wegen chronischer Rheumaerkrankungen jahrelang Entzündungshemmer nehmen mussten, tendenziell weniger an Alzheimer erkranken. Aber weiterführende Studien hierzu fehlen und die Forschung steckt nach wie vor in den Kinderschuhen.

 

Was sagt die Forschung zum Thema Medikamente?

Es gibt Medikamente auf dem Markt, welche den Verlauf der Demenz verlangsamen können. Da diese Medikamente aber vor allem im Anfangsstadium einer Demenz und nur bei Alzheimerdemenz wirksam sind und zudem viele Nebenwirkungen haben, sind sie nur für einen kleinen Teil von Menschen mit Demenz geeignet. Leider mussten in den letzten Jahren viele Medikamentenstudien von Pharmafirmen mangels Wirksamkeit der getesteten Medikamente gestoppt werden. Auch da gibt es grossen Bedarf an weiterer Forschung.

 

Lesen Sie demnächst Teil II…