Was die Zahl auf der Waage überhaupt bedeutet. Ein Interview.
Pascale Schwarz während der Arbeit. Bild: Enya Seiler
Interview mit Pascale Schwarz, diplomierte Ernährungsberaterin FH im Bürgerspital Solothurn.
ES: Was sagt die Zahl auf der Waage über uns oder unsere Gesundheit aus?
Pascale Schwarz, Ernährungsberatung soH:
Gerade wenn man die Ernährung umstellt und Gewicht abnehmen oder zunehmen möchte, wägen sich viele Menschen regelmässiger. Doch was bedeutet diese Angabe auf der Waage wirklich? Ein Kilogramm Muskelmasse ist dichter und somit kleiner als ein Kilogramm Körperfett. Sehr sportliche Menschen können durch ihre erhöhte Muskelmasse beim Body Mass Index (BMI) in die Kategorie des Übergewichts fallen, obwohl sie kein Gramm Fett zu viel wiegen. Wenn wir regelmässig trainieren und uns bewegen, kann es durch Muskelaufbau zu einer Gewichtszunahme kommen, die wir auf der Waage sehen, die aber für unsere Gesundheit positiv ist. Daher sollte der Blick in den Spiegel, der Gurt der enger geschnallt werden kann und das allgemeine Körpergefühl beachtet werden, wenn wir die Zahl auf der Waage interpretieren.
Der BMI stellt mit einer Zahl das Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergrösse im Quadrat dar (kg/m2). Grob lässt sich das Gewicht mit dem BMI in drei Kategorien einteilen: Untergewicht, Normalgewicht und Übergewicht. Untergewichtig ist, wer einen BMI unter 18.5 kg/m2 hat. Von 18.5 kg/m2 bis 24.9 kg/m2 spricht man von Normalgewicht, was umgangssprachlich als Idealgewicht bezeichnet wird. Ab einem BMI 25.0 kg/m2 spricht man von Übergewicht.
Der BMI gilt als einfache und schnelle Methode zur ersten Einschätzung, wo man mit seinem Gewicht liegt. In der Medizin ist der BMI zudem ein wichtiger Richtwert und dient unter anderem als Klassifizierung für gewisse Krankheiten, wie Adipositas (Fettleibigkeit).
Bei der Interpretation des BMIs ist neben der Muskelmasse auch die Genetik, sowie das Alter zu berücksichtigen. Daher kann die Zahl auf der Waage keine abschliessende verlässliche Aussage über unseren Gesundheitszustand machen.
ES: Was bedeutet eine schwankende Zahl auf der Waage?
Pascale Schwarz:
Dass unser Gewicht schwankt ist ganz normal. Durch das Essen und Trinken, den Toilettengang und Wasserverlust durch Schwitzen ist unser Gewicht stetigen Schwankungen unterlegen. Daher sollte man sich immer zur gleichen Zeit und unter gleichen Bedingungen, auf der gleichen Waage wägen. Dass wir morgens leichter sind als abends, verdanken wir dem Energieverbrauch während der Nacht. Unser Körper verbraucht in der Nacht Energie in Form von Zucker und Fett. Zudem essen und trinken wir nachts normalerweise nichts. Gewichtsunterschiede von 1-2 kg pro Tag sind normal. Eine «echte» Gewichtsabnahme oder -zunahme kann man deshalb erst nach ein paar Tagen bis Wochen sehen.
Trotzdem sollte man sich regelmässig wägen. Eine extreme Gewichtszunahme oder -abnahme kann auf Krankheiten, wie Diabetes mellitus, Veränderungen bei den Schilddrüsenhormonen oder schlimmstenfalls auf eine Krebserkrankung hinweisen. Unter medizinscher Behandlung müssen sich manche Menschen täglich wägen, sei es beispielsweise bei der Überwachung von Wassereinlagerungen.
Das Bedürfnis sich zu wägen ist sehr individuell, einmal wöchentlich ist bei gesunden Menschen ein gutes Mittelmass. Falls man merkt, dass das Essverhalten und der Alltag durch die Zahl auf der Waage stark beeinflusst wird und man sich dauernd mit Themen rund um Gewicht und Abnehmen beschäftigt, sollte man eventuell ein Gespräch bei einem/r Ernährungsberater/in oder psychologische Unterstützung holen.
Bild: Pixabay, pexels.com
ES: Gibt es so etwas wie «schwere Knochen»?
Pascale Schwarz:
Verschiedene Quellen sprechen davon, dass unsere Knochen ca. 10-15% unseres Körpergewichts (bei Normalgewicht) ausmachen. Das bedeutet, dass bei einem Körpergewicht von 70 kg ein maximaler Unterschied der Knochenmasse von 3.5 kg vorliegt. Die Knochendichte verändert sich im Verlauf unseres Lebens. Sie kann durch unsere Ernährung und Bewegung positiv beeinflusst werden. Dass also jemand aufgrund des Gewichtes seiner Knochen beim BMI in die Sparte des Übergewichts fällt, ist nicht möglich.
ES: Nützt uns daher die Zahl auf der Waage überhaupt etwas?
Pascale Schwarz:
Das Körpergewicht und der daraus resultierende BMI kann eine schnelle Einschätzung abgeben, schlussendlich spielt jedoch die genaue Zusammensetzung von Muskel, Fett und Wasser eine grössere Rolle. Zudem ist Fett nicht gleich Fett. Die Fetteinlagerung an den Hüften und Beinen, welche häufiger bei Frauen vorkommt, ist weniger schädlich für unsere Gesundheit, als das Fett in der Bauchregion. Studien zeigen, dass das viszerale Fett in der Bauchhöhle hormonell wirken kann und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht.
Die Muskel- und Fettmasse sowie der Wasserhaushalt können mit Hilfe der bioelektrischen Impedanz Analyse (BIA) ermittelt werden. Diese misst und berechnet mit Hilfe von Wechselstrom den Widerstand im Körper und somit die Körperzusammensetzung. Diese Messung ist schnell und absolut schmerzfrei. Mit Hilfe von neueren Geräten kann sogar das viszerale Fett berechnet werden.
Die Ernährungsberatung im Bürgerspital Solothurn bietet diese Messmethode zur Begleitung in der Beratung von Über- oder Untergewicht an.
Die Ernährungsberatung des Bürgerspital Solothurn und die Ernährungsberatung in Olten stehen Ihnen bei verschiedenen Themen rund um die Ernährung gerne zur Verfügung.
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